Donnerstag, 9. Mai 2013

DER HIMMEL

Wie Andreas Liebmann und Tumasch Cladüna am Tier weiterbauen und freundlich empfangen werden.

Viele freuen sich, dass wir da sind. Sie haben gehört, dass es bei uns etwas zu essen gibt und fragen nach „Klöpfern“. Heute leider werfen wir unseren Grill nicht an, weil wir uns auf eine andere Arbeit konzentrieren: Grille bauen. Unser Ziel: Das Grundgerüst für eine Grille erstellen, die dann je länger je mehr ausgebaut werden kann. Grundbaustoffe: Bambus, Schnur. Dimensionen: Ca. 4 Meter Länge. Wer mitbauen oder -knöpfen will, ist herzlich willkommen. V. der mir gestern sein Know-How über Kampfsport näher gebracht hat, ist da. Er bietet sofort seine Hilfe an. „Im Knoten bin ich der Meister. Ich bin Überlebenskünstler.“ Sein Knoten hält trotzdem nicht (auch viele unserer Knoten halten erstmal nicht. Bambus ordentlich zusammenzuknüpfen will gelernt sein). Bauen ist schön. Ausserdem ist heute Feiertag, und das Programm in der Klinik ist auf das Minimum reduziert. Vereinzelt gehen Betreuer mit ihren Anvertrauten spazieren. Eine Gruppe Jugendlicher freut sich über unsere Grille und sie tragen sie herum. Zwei geben ein Beatbox-Konzert, und wir Trommeln. Sind das die ersten Beiträge für das Grillfest? Wir werden sehen. Die Betreuerin scheint nicht abgeneigt. Was unterscheidet diese Jungs von den Jugendcliquen, die am frühen Abend auf dem Kasernenplatz herumlungern? Wie kann ich mir ihre Krankheit vorstellen? Sind sie Sonderschüler, ADHS-Patienten, Jugendstraftäter? Ich kann mit ihnen sprechen, mit ihnen Spass haben, Trommeln, oder sie anfeuern, wenn sie die Grille herumtragen. Warum sie hier sind, ist schwer abzuschätzen. V. spielt ein bisschen auf seiner Gitarre: Smoke on the water, und eine Akkordfolge, die er selber komponiert hat. Tumasch spielt auch ein bisschen auf dem Instrument, ein paar Lagerfeuergriffe. „Du bist ein Meister“, sagt V.

Uns geht die mitteldicke Schnur aus. Jetzt haben wir nur noch die sehr dicke Hanfschnur, und eine sehr dünne. Was nehmen? In meiner Primarschule habe ich gelernt, Schnüre zu drehen. Also mache ich das. J, der das sieht, ist begeistert. „Das habe ich auch unterrichtet“. Er hilft mir ein bisschen. Ab und zu erstarrt er und reckt seinen Arm zum Himmel. Dann legt er seinen Kopf auf den Tisch. Zwei Minuten regt er sich nicht „Meine Diagnose: Manisch-Depressiv. Ich habe einfach zu viel erlebt. Die hat mich betrogen“. Immer wieder lacht er, unvermittelt. Manchmal steht er da, kumpelhaft, entspannt, völlig unauffällig. „Der Himmel ist so gross, was will man da alles reintun!“

Wir sprechen mit P. Er ist die graue Eminenz in der Klinik. Alter Mann. „Ich bin viel herumgereist. Tennessee. Nicht Illinois. Aber Florida. Maine. New Orleans. Texas. St. Patrick. Nicht Mexiko. Aber Cleveland. Thanks for the coffee“. Er ist sehr freundlich. Leicht gebückt. Ab und zu spricht er englisch mit uns, und wir mit ihm. Danach wieder Baslerdeutsch. Tumasch sagt: „Du kennst hier jeden“. Er sagt: „Ich vergesse die Gesichter“.

T. kommt und meldet die neuesten Diebstähle. P. sucht sofort das Weite. Er kann sie nicht riechen und hält sie sicher für komplett abgedreht.

Der Tag ist ruhig. Unsere Grille scheinen sie zu mögen. Morgen gibts Klöpfer.

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